Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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Dissertation Dresbach

Die elektrische Verbindung eines mikroelektronischen Chips zu anderen elektronischen Komponenten sowie den elektrischen Anschlüssen des Gehäuses wird größtenteils durch Drahtkontaktierungen aus Gold oder Aluminium realisiert. Im Zuge der zunehmenden Miniaturisierung und den gleichzeitig ansteigenden äußeren Belastungen werden in mikroelektronischen Bauteilen die mechanischen Beanspruchungen der Werkstoffe immer größer. Um möglichen Bauteilausfällen seitens der Drahtkontaktierungen entgegenzuwirken, können beispielsweise die Drahtzusammensetzung und der Herstellungsprozess der Drähte für ihre Anwendung optimiert werden. Zu diesem Zweck ist es notwendig, das materialphysikalische Verständnis zum Verformungsverhalten der Drähte zu verbessern, um die Mikrostruktur und die daraus resultierenden mechanischen Eigenschaften gezielt einstellen zu können. Für die Auslegungen komplexer elektronischer Bauteile wird es außerdem wichtiger, die mechanischen Kennwerte des Werkstoffs genau zu kennen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sich die Materialeigenschaften durch den Einfluss der technologischen Prozessierung während der Fertigung von Bauelementen der Mikroelektronik im Vergleich zum Ausgangszustand ändern können. Daher ist eine Ermittlung lokaler Werkstoffkennwerte an (teil-) prozessierten Bauteilen mit Größenordnungen zwischen 10μm und 500μm erforderlich. Bislang existierten jedoch keine gesicherten Methoden für die Ermittlung lokaler mechanischer Eigenschaften, welche für Bauteilsimulationen geeignet sind.

Im Rahmen dieser Arbeit wurden zunächst Methoden und Auswerteroutinen zur mikrostrukturellen Charakterisierung mittels Elektronen-rückstreubeugung (EBSD) sowie zur mechanischen Bewertung mittels Zugversuch weiterentwickelt. Mit diesen Methoden wurden über 40 verschiedene Dünn- und Dickdrähte aus Aluminium, AlSi1 und Gold untersucht, um die Zusammenhänge zwischen der Mikrostruktur und den Verformungseigenschaften aufzuzeigen. Zusätzlich wurden die Effekte einer thermischen Behandlung auf diese Zusammenhänge untersucht. Zur Ermittlung der lokalen mechanischen Eigenschaften in den zuverlässigkeits-relevanten Bauteilbereichen wurden darüber hinaus die Möglichkeiten der instrumentierten Eindringprüfung evaluiert und neue experimentelle
Vorgehensweisen auf der Basis eines Mikro-Druckversuches entwickelt.
Bei den Untersuchungen dieser Arbeit konnte gezeigt werden, dass die mechanischen Eigenschaften der untersuchten Bonddrähte maßgeblich von der Korngröße bestimmt werden. Vor allem die Zugfestigkeit steht in einem direkten Zusammenhang mit der Korngröße entsprechend der Hall-
Petch-Beziehung. Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass aus den mittels EBSD bestimmten Kornorientierungsverteilungen die Berechnung der elastischen Eigenschaften der Drähte möglich ist. Demzufolge ist es nun möglich die elastischen Eigenschaften von Realbauteilen auch in lokal begrenzten Gebieten, in denen keine mechanischen Experimente zuverlässig durchgeführt werden
können, zu ermitteln.

Mit Hilfe der neu entwickelten experimentellen Methoden auf der Basis des Mikro-Druckversuches in Kombination mit der Parameteridentifikation mittels Finite-Elemente-Simulation ist es erstmals möglich, die Verfestigungs- eigenschaften von teilprozessierten aber auch einsatzbeanspruchten Drahtkontakten zu bestimmen und für Bauteilauslegungen nutzbar zu machen. Die gute Belastbarkeit der Ergebnisse konnte am Beispiel von Aluminium-Dickdrähten durch Korrelation mit Ergebnissen aus Zugversuchen und Gefügeuntersuchungen nachgewiesen werden. Das große Potential der entwickelten Methoden wurde beispielhaft für teilprozessierte 25μm dünne Golddrähte gezeigt. Hierbei konnten erstmals die Verfestigungseigenschaften der Wärmeeinflusszonen und der angeschmolzenen Drahtkugeln mit Durchmessern von 55μm quantifiziert werden. Die im Rahmen dieser Arbeit entwickelten Methoden und gefundenen Zusammenhänge können in nachfolgenden Untersuchungen sowohl für die Drahtentwicklung und Fehlerdiagnostik als auch für die Designoptimierung und Zuverlässigkeitsbewertung herangezogen werden.

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